SVP will grundlegende Rechte infrage stellen

05.04.2017

Categories: Angriffe gegen BDS, BDS-Argumente, Internationales Recht

Am 8. März diskutierte der Nationalrat eine Motion von Christian Imark, die vom Bundesrat verlangte, „dass öffentliche Gelder der Schweiz, welche direkt oder indirekt für die Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt werden, nicht mehr gesprochen werden dürfen, wenn die unterstützten Nichtregierungsorganisationen (NGO) in rassistische, antisemitische und hetzerische Aktionen oder BDS-Kampagnen (Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen) verwickelt sind.“ Obwohl der Bundesrat die Motion zur Ablehnung empfohlen hatte, wurde sie mit Stimmen von SVP, FDP und Teilen der CVP angenommen.

Die Aussenpolitische Kommission des Ständerates hat in ihrer Sitzung vom 4. April diese Motion nun abgeändert und die Erwähnung von BDS aus dem Antrag gestrichen. Die Abstimmung über den geänderten Wortlaut wird im Ständerat in der Sommersession stattfinden.

Gegen Kritiker an Israel

Dennoch sollte dieser Vorstoss aus SVP-Kreisen bei allen Personen und Organisationen ernsthafte Bedenken wecken, die für die Wahrung der Meinungsfreiheit, des Völkerrechts inklusive den Verpflichtungen von Drittstaaten einstehen und sich dem rassistischen Populismus und der Antiterror-Rhetorik der SVP entgegenstellen. Denn Imark-Motion verfolgte mit ihren Angriffen auf NGOs und Kampagnen wie BDS, deren einziges „Verbrechen“ ist, die legitimen Rechte der Palästinenser_innen auf Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu verteidigen, zwei Ziele:

  • Alle Gruppen und Personen, die die Besatzungs-, Siedlungs- und Apartheidpolitik der israelischen Regierung kritisieren, als rassistisch, antisemitisch oder mit Terrorist_innen assoziiert darzustellen und zu kriminalisieren;

  • die Anwendung von völkerrechtlichen Prinzipien, wie sie zum Beispiel in der Vierten Genfer festgehalten sind, zu delegitimieren und die Verantwortung von Drittstaaten im Namen einer suggerierten „Neutralität“ aufzuheben. So soll zukünftig das Recht des Stärkeren gelten.

Die Motion reiht sich in das systematische Vorgehen der israelischen Regierung gegen ihre Kritiker_innen ein Mit Blick auf die Positionen der SVP hinsichtlich Migration, der Verteidigung „nationaler Werte“ und Terrorismusbekämpfung kommt diese Kooperation nicht überraschend. Sowohl die SVP als auch die FDP unterhalten enge Beziehungen mit der israelischen Regierung. Die parlamentarische Gruppe Schweiz-Israel, die sich vor allem aus Mitgliedern dieser beiden Parteien zusammensetzt, sprach auf Einladung vor der israelischen Knesset und besuchte bei dieser Gelegenheit gleich noch eine illegale Siedlung im Westjordanland.

Angriff auf die Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit ist ein zentrales Grundrecht jeder Gesellschaft, die sich demokratischen Prinzipien verpflichtet fühlt. Sie wird nicht nur durch internationale Abkommen sondern in der Schweiz und vielen anderen Ländern auch verfassungsrechtlich geschützt. Israel versucht, dieses Recht in Palästina/Israel selber und international massiv einzuschränken. Palästinensische Knessetabgeordnete werden verfolgt und wurden bereits in mindestens einem Fall von Sicherheitskräften verletzt. Israelische Organisationen wie Breaking the Silence, die kritischen Soldat_innen eine Stimme verleiht und israelische Kriegsverbrechen aufdeckt, werden bedroht. Am 21. März 2017 wurde ein Gesetz zur Errichtung einer nationalen Datenbank verabschiedet, in der Informationen über israelische Boykott-Befürworter_innen gesammelt werden.
Noch einiges schlimmer ist indes die Lage für palästinensische NGOs. Im Sommer 2016 hat Israel UN-Angestellte aus Gaza verhaftet und ihnen unterstellt, sie arbeiteten für die Hamas. Die Story wurden weltweit von zahlreichen Medien weiterverbreitet. Monate später mussten die Angestellten aus der Haft entlassen werden, weil sich die Anschuldigungen als haltlos erwiesen. Trotzdem hat Israel die Kommunikationsschlacht gewonnen und erfolgreich das Image der UN-Aktivitäten im Gazastreifen beschädigt.

Im letzten Jahr wurden auch mehrere internationale Menschenrechtsverteidiger_innen, wie zum Beispiel Delegierte des Ökumenischen Rats der Kirchen, die an einer Umweltkonferenz in Bethlehem teilnehmen wollten, sowie eine Schweizerin, die im Auftrag einer NGO Projekte im Gazastreifen besuchen sollte, an der israelischen Grenze verhaftet, befragt und schliesslich ausgeschafft. Diese Praxis wird weiter verschärft. Kürzlich hat die Knesset ein neues Gesetz verabschiedet, das ausländischen Personen, die verdächtigt werden, sich mit BDS für die Rechte der Palästinenser_innen einzusetzen, eine Einreise nach Israel verbietet.

Diese massiven Angriffe auf die Meinungsfreiheit erstaunen uns nicht. Israel ist der für seine unaufhörlichen Völkerrechtsverletzungen am häufigsten von der UNO verurteilte Staat, hat im Gazastreifen vermutlich zahlreiche Kriegsverbrechen begangen, wendet in Kriegen unverhältnismässige Gewalt an, verweigert Sonderberichterstatter_Innen des UN-Menschenrechtsrat den Zugang zum besetzten palästinensischen Gebiet und ist einer der wenigen Staaten, die sich weigern die Vierte Genfer Konvention, die den Schutz der Zivilbevölkerung im Kriegszustand sicherstellen soll, anzuerkennen.

Durch solche Angriffe auf die Meinungsfreiheit könnten Organisationen wie das HEKS, Caritas aber selbst kulturelle Institutionen wie das FIFDH (Festival International de film sur les Droits Humans) schon bald gezwungen sein, ihre Entscheidungen und ihre Zusammenarbeit mit zahlreichen Organisationen verteidigen zu müssen. Sie laufen Gefahr, ihre Subventionen zu verlieren, die Regeln der SVP nicht befolgen.

Antidemokratische Tendenzen

Weiter gefasst, versuchen die SVP und andere rechte Parteien ein politisches Klima zu schaffen, in dem Kritiker_innen ihrer Politik kriminalisiert werden. Zunehmend werden Grundrechte eingeschränkt, wie zum Beispiel, für Frauenrechte oder die Rechte von Geflüchteten zu demonstrieren zu können. Demonstrierende werden beschuldigt, die öffentliche Ordnung zu gefährden. So müssen die Organisator_innen immer mehr Auflagen erfüllen und „Garantien“ gewähren. Schliesslich sehen sie sich Demonstrierende auch zunehmend einer militarisierten Polizei ausgesetzt, die mit übermässiger Gewalt gegen sie vorgeht.

Im momentanen politischen Klima in der Schweiz wäre es gefährlich, solche Vorstösse nicht ernst zu nehmen. Sich zurückzuhalten oder zu schweigen, hilft weder den übrigen NGOs, Organisationen, Verbände etc. noch den zahlreichen Bürger_innen, die sich für die Aufrechterhaltung des Völkerrechts einsetzen, der Skrupellosigkeit der xenophoben und populistischen Rechtsparteien zu entgehen, die heute eine Mehrheit im Parlament stellen.

Selbst wenn dieser direkte Angriff auf die palästinensische BDS-Bewegung und die fundamentalen Rechte der PalästinenserInnen vorerst abgewendet ist, ist zu befürchten, dass von konservativen und israelfreundlichen Kräften weitere Vorstösse folgen werden. Wir werden am Ball bleiben.

Zurück

© BDS Schweiz