NGOs aus Gaza zum Nakba-Tag

27.05.2015

Categories: BDS-Argumente

Stellungnahme zum Nakba-Tag: Palästinensische NGOs aus dem abgeriegelten, besetzten Gazastreifen beklagen das kollektives Versagen, Israel für das Massaker zur Rechenschaft zu ziehen

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Während die PalästinenserInnen den Tag der Nakba begehen, der an die Katastrophe im Jahr 1948 erinnert, als im Zuge ethnischer Säuberungen über 700 000 PalästinenserInnen durch zionistische Milizen und später durch den israelischen Staat aus ihrer Heimat vertrieben wurden, steuert der besetzte und abgeriegelte Gazastreifen, wie auch einer Warnung der UNO zu entnehmen ist, auf einem kritischen Punkt zu.

Nahezu zwei Millionen PalästinenserInnen werden von Israel auf einer schmalen fläche eingesperrt und zu einem Leben in Armut verurteilt, in dem nicht einmal Trinkwasser als Lebensquelle zur Verfügung steht. Die Grundversorgung im Gesundheits- und Bildungswesen stockt und ist alarmierend. Es ist ein von Israel gemachter „Tsunami“, der gestoppt werden kann, wenn genügend bewusste Menschen weltweilt Israel zur Rechenschaft ziehen und Druck auf Institutionen und die Regierung ihres Landes ausüben würden, damit diese ebenfalls Druck aufsetzen. Israel muss für sein verbrecherisches Wirken einen spürbaren Preis zahlen.

Wann, wenn nicht jetzt, wäre es berechtigt, einen Schurkenstaat davon abzuhalten, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen? Die unterzeichnenden palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen aus dem Gazastreifen rufen dazu auf, Israel und Unternehmen, die an dessen schweren Völkerrechtsverletzungen beteiligt sind, mit sofortigen wirkungsvollen Massnahmen einschliesslich Boykott, Desinvestition und spürbaren Sanktionen zu belegen, um Hundertausende von Zivilpersonen im Gazastreifen vor unaussprechlichem Leiden und dem langsamen Tod zu bewahren.

Dem israelischen Massaker im Gazastreifen von Sommer 2014 sind über 2300 unserer Mitmenschen zum Opfer gefallen, unsere Schulen und Spitäler, UNO-Notunterkünfte der und Tausende Wohnhäuser wurden zerstört. Acht Monate später ist Gaza noch immer ein Trümmerfeld, mindestens 100 000 Menschen sind obdachlos. Von den 12 600 völlig zerstörten Häusern wurde kein einziges wiederaufgebaut. Die Nakba dauert für alle PalästinenserInnen an; für diejenigen im Gazastreifen ganz besonders.

Ungeachtet der sogenannten Waffenruhe setzt Israel die oft tödlichen Angriffe auf PalästinenserInnen im Gazastreifen laufend fort, wovon insbesondere die Fischer in den Zonen mit beschränktem Zugang (ARA) entlang der Grenze zu Israel und vor der Küste Gazas betroffen sind. Sie waren während des Massakers am stärksten exponiert und sind weiterhin betroffen von israelischen Völker- und Menschenrechtsverletzungen.

Dieses schwerwiegende Leid, das die Menschen ertragen müssen, hat seine Ursache in der anhaltenden Besatzung und der seit acht Jahren bestehenden illegalen Abriegelung, die die Bewegungsfreiheit für Personen, Güter und Baumaterial massiv einschränken. Der Rafah-Übergang zwischen Gaza und Ägypten war dieses Jahr nur ein Dutzend Mal geöffnet. Im Schnitt konnten 2015 pro Woche nur 198 Personen Gaza über den Rafah-Übergang verlassen, gegenüber 995 im letzten Jahr. Bis Februar 2015 wurden gerade mal 1661 Lastwagen (mit rund 105 207 Tonnen) in den Gazastreifen gelassen, für den Wiederaufbau zerstörter Häuser und Gebäude benötigt wären 800 000. Das Versagen internationaler Geldgeber, die versprochenen Mittel freizugeben, hat zu schweren Engpässen in der Energieversorgung geführt. Strom gibt es nach wie vor nur wenige Stunden täglich.

Der Wiederaufbaumechanismus für Gaza (GRM), die Hauptantwort der internationalen Gemeinschaft, hat den grundlegenden Makel, dass er das Leid der PalästinenserInnen im Gazastreifen noch verschärft. Über diesen Mechanismus werden die internationale Gemeinschaft und vor allem die UNO zur Erfüllungsgehilfen der israelischen Abriegelung und die Hilfe an die PalästinenserInnen wird von israelischer Zustimmung abhängig gemacht.

Bis zu 71 Prozent der von internationalen Gebern in Aussicht gestellten Hilfe dürfte der israelischen Wirtschaft zugutekommen, womit Israel für sein Massaker an PalästinenserInnen faktisch belohnt wird. Viele der Baumaterial liefernden Firmen sind auch an der völkerrechtswidrigen Plünderung palästinensischer Rohstoffe und/oder am Bau illegaler Siedlungen beteiligt.

Viele westliche Regierungen versuchen, die PalästinenserInnen daran zu hindern, beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) gegen Israel zu klagen. Vergangenen Juli hatten die USA gegen die Bildung einer Untersuchungskommission der UNO zu Gaza gestimmt und mehrere EU-Mitglieder wie Frankreich, Deutschland und Grossbritannien haben sich der Stimme enthalten.

Die USA und Deutschland scheinen gewillt, ihre umfassende militärische Unterstützung Israels fortzusetzen. Die Europäische Union hält derweil am Assoziierungsabkommen mit Israel fest, was Israel den Zugang zu EU-Märkten und -Programmen ermöglicht. Und die kanadische Regierung hat sogar eine Reihe neuer Abkommen mit Israel beschlossen. Selbst jene Länder im globalen Süden, die sich klarer gegen das palästinensische Recht auf Selbstbestimmung stellen, haben ihren symbolischen Gesten bislang nicht durch die Aufkündigung militärischer Beziehungen und präferentieller Handelsabkommen mit Israel konkretisiert.

Angesichts der humanitären Katastrophe, die Gaza erlebt, und der Androhung weiterer Gräueltaten durch Israel rufen wir Regierungen und internationale Körperschaften auf, sofort aktiv zu werden, um

  • zu gewährleisten, dass Israel für seine Kriegsverbrechen gegenüber den PalästinenserInnen im Gazastreifen zur Rechenschaft gezogen und die palästinensischen Bemühungen um Gerichtsverfahren beim ICC unterstützt werden;
  • – die direkte Unterstützung israelischer Kriegsverbrechen beendet wird, indem unter anderem ein umfassendes Rüstungsembargo verhängt, die Freihandelsabkommen aufgekündigt und andere bilaterale Abkommen ausgesetzt werden, bis Israel das Völkerrecht einhält und die Abriegelung des Gazastreifens aufhebt;
  •  der Zivilbevölkerung des Gazastreifens sofortiger Schutz gewährt wird, unter anderem durch finanzielle und materielle Hilfe, damit die PalästinenserInnen die unendliche Not bewältigen können, unter der sie noch immer leiden.

Wir bedanken uns herzlich bei den unzähligen aufrichtigen Menschen und prinzipienfesten Organisationen weltweit, die sich mit unserem Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung solidarisieren, und rufen die internationale Zivilgesellschaft einschliesslich Gewerkschaften, NGOs, Basisorganisationen, Parteien und ParlamentarierInnen auf,

  • sich der von PalästinenserInnen geführten globalen Bewegung für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) anzuschliessen, die als zentrales Instrument sicherstellen kann, dass Israel für seine Völkerrechtsverletzungen im Gazastreifen und gegenüber allen PalästinenserInnen zur Rechenschaft gezogen wird; sowie Druck auf Universitäten, Banken und Pensionsfonds zu machen, damit sie ihre Gelder aus Unternehmen abziehen, die von der israelischen Besatzung und Kriegsverbrechen profitieren;
  • Regierungen unter Druck setzen, Waffenembargos und Handelssanktionen zu verhängen;
  • Kampagnen gegen mitbeteiligte Unternehmen zu führen, wie die Rüstungsfirmen Elbit Systems, die Sicherheitsfirma G4S und zentrale Zulieferer der israelischen Rüstungsindustrie wie HP, die die israelischen Völkerrechtsverletzungen ermöglichen.

Unterzeichnet von:

Palestinian BDS National Committee
Palestinian General Federation of Trade Unions (PGFTU)
Palestinian NGO Network (PNGO)
University Teachers’ Society in Palestine
Palestinian Medical Relief Society
Palestinian Association for Development and Reconstruction (PADR)
Medical Democratic Assembly
Palestinian Student Campaign for the Academic Boycott of Israel (PSCABI)
Medical Initiative Assembly
Arab Center for Agricultural Development (ACAD)
Union of Health Work Committees
One Democratic State group
Herak Youth CenterBadr Campaign for Boycott of Israeli Goods

Quelle: bdsmovement.net, 15. Mai 2015, dt. BDS Schweiz

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