Brief an Bundesrat Cassis: Richtungswechsel in Bezug auf palästinensische Flüchtlinge?

30.05.2018

Categories: BDS-Argumente, Palästinensische Flüchtlinge

Basel, 29. Mai 2018

Aussagen von Bundesrat Cassis zur UNRWA und zu den palästinensischen Flüchtlingen

Sehr geehrter Herr Bundesrat Cassis
Sehr geehrte Damen und Herren

Bundesrat Ignazio Cassis, Vorsteher des Aussendepartements, hat am 17. Mai 2018 in der Aargauerzeitung in einem Interview erklärt, das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) trage zur Weiterführung des Nahostkonflikts bei, indem es die Integration palästinensischer Flüchtlinge in den Gastländern verhindere. Bundesrat Cassis behauptete, in den Flüchtlingslagern würde durch die Arbeit der UNRWA der illusorische „Traum, nach Palästina zurückzukehren“ aufrechterhalten. Lösung sei eine verstärkte Bemühung für die Integration der Flüchtlinge in ihren Gastländern zulasten der Unterstützung für die UNRWA.

Wir haben diese Aussagen mit grosser Besorgnis zur Kenntnis genommen. Sie stehen in krassem Widerspruch mit der bisherigen Haltung der Schweiz zum Nahostkonflikt, die den Status der palästinensischen Flüchtlinge anerkennt und eine gerechte Verhandlungslösung für die Flüchtlingsfrage explizit als Teil einer umfassenden Lösung für den Nahostkonflikt vorsieht. Wir wenden uns deshalb mit den folgenden Fragen und der Bitte um Klärung an Sie:

  1. Wird mit der Aussage von Bundesrat Cassis die Anerkennung des Status der palästinensischen Flüchtlinge in Frage gestellt? Gab es diesbezüglich eine Änderung in der Haltung und Aussenpolitik der Schweiz?
  2. Bedeuten diese Positionen zur Frage des Rückkehrrechts der PalästinenserInnen, dass die Schweiz dieses in UN-Resolution 194 anerkannte Recht verweigert? Stellt die Schweiz die Umsetzung der UNO-Resolutionen betreffend palästinensische Flüchtlinge in Frage?
  3. Bedeutet die Kritik an der UNRWA, dass die Schweiz die finanzielle Unterstützung des Hilfswerks überdenkt?
  4. Am 18. Mai gab Bundesratspräsident Berset eine Erklärung ab, die im Widerspruch zu den Äusserungen von Bundesrat Cassis steht. Bedeutet das, dass es im Bundesrat unterschiedliche Positionen gibt? Wenn ja, welche Position repräsentiert die offizielle Haltung der Schweiz?

Am 18. Mai 2018 hat der UN-Menschenrechtsrat in einer Resolution das Entsenden einer Untersuchungskommission zu den aktuellen Angriffen der israelischen Armee auf zivile Protestierende im Gazastreifen beschlossen. Die Schweiz enthielt sich der Stimme.

  1. Widerspricht dieses Abstimmungsverhalten nicht der in der Mitteilung des EDA vom 15. Mai wiederholt geäusserten Forderung nach einer internationalen und unabhängigen Untersuchung der aktuellen Geschehnisse im Gazastreifen?
  2. Gibt eine Änderung der Haltung der Schweiz in Bezug auf die Einhaltung des Humanitären Völkerrechts im besetzten Gazastreifen?
  3. Ist die Enthaltung in der Frage ein weiteres Zeichen für eine Kursänderung in der Frage der Untersuchung und Verurteilung möglicher israelischer Menschen- und Völkerrechtsverletzungen? Wie ist diese Entscheidung vor dem Hintergrund des bisherigen Verhaltens der Schweiz in Abstimmungen zu ähnlichen Vorstössen im Menschenrechtsrat zu bewerten?

Zurück

© BDS Schweiz